03.11.2016

Finance Business Next

Welche Unternehmensberatung für Banken im digitalen Wandel jetzt besonders gefragt ist

03.11.2016  | Enrico Moritz

Seit der Finanzkrise 2008 haben negative Schlagzeilen keinen Seltenheitswert mehr, vielmehr dürfte sogar ein Gewöhnungseffekt eingesetzt haben. Dennoch erregen immer wieder neue negative Schlagzeilen über die Bankenbranche das öffentliche Interesse. Es ist wenige Wochen her, dass das De-Listing zweier einstiger Vorzeigebanken (Deutsche Bank und Credit Suisse) aus dem Eurostoxx 50 das Geschehen bestimmte. Schon folgte in den Tagen darauf eine spektakuläre Debatte, wie viele Milliarden Strafe die Deutsche Bank aufgrund ihrer Geschäfte mit faulen Hypothekenpapieren zu zahlen hat. Eine Nachricht, welche die Aktie der Deutschen Bank zwischenzeitlich auf den tiefsten Wert ihrer Firmengeschichte drückte [1].

Diese Art von Schlagzeilen zu Großbanken kann mit Vulkanausbrüchen verglichen werden: Sie bringen immer wieder in Erinnerung, wie stark es unter der Oberfläche brodelt. Ähnlich ist es in der Welt der Finanzdienstleister insgesamt. Auch dort brodelt es gewaltig. Die Umwälzungen betreffen selbstverständlich nicht nur die im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehenden Finanzdienstleister, wie z. B. Großbanken, sondern Finanzdienstleister jeglicher Prägung.

Bei dieser Marktdynamik und dem daraus resultierenden Handlungsdruck verwundert es nicht, dass die Finanzdienstleister zur Bewältigung der Herausforderungen auf externe Unterstützung setzen. Die Finanzbranche gehört seit Jahren zu den stärksten Nachfragern von Consulting und trägt einen beachtlichen Teil zum Umsatz der Consulting-Branche bei. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an die Consultants. Auf welche Art von Consulting sollten Banken, Versicherungen, Leasinggesellschaften, Factoring-Anbieter und sonstige Finanzdienstleister setzen, damit sich die Erwartungen erfüllen?

 

1. BANKEN UND VERSICHERUNGEN BLEIBEN WEITERHIN WICHTIGSTE NACHFRAGER VON UNTERNEHMENSBERATUNG

Beratungsmarkt wächst weiter beachtlich

Der Markt der Unternehmensberatung wächst im deutschen Raum nach wie vor auf beachtlichem Niveau. Auch wenn die zeitweise zweistelligen Wachstumsraten seit langem nicht mehr erreicht wurden, verzeichnete die Branche in den letzten drei Jahren ein Wachstum von ca. 6-7%. Das offenbart ein Blick in die durch den Bund der Unternehmensberater BDU jährlich veröffentlichten facts & figures [2].

Banken und Versicherungen bleiben wichtige Nachfrager

Consulting für Banken und Versicherungen hat Tradition: Die facts & figures des BDU machen auch deutlich, dass die Branche der Finanzdienstleister, die sich bei der BDU-Erhebung aus Banken und Versicherungen zusammensetzt, einen starken Anteil an dem Wachstum der Consulting-Branche hat. In den letzten drei Jahren belegte die Finanzdienstleister-Branche mit einem Anteil von ca. 24% am Gesamtumsatz der Consulting-Branche den zweiten Platz. Das Ausmaß des Beratungsbedarfs der Finanzdienstleister-Branche spiegelt sich in folgender Zahl wieder: Die Unternehmen aus der Banken- und Versicherungsbranche kauften in 2015 Beratungsleistungen im Wert von 6,14 Milliarden Euro ein. Gemäß der BDU-Erhebung erwartet man in Zukunft gar eine Zunahme des Wachstums auf eine Wachstumsrate von über 8% [3].

 

2. WIE SIEHT DAS IDEALE BERATERPROFIL AUS SICHT VON FINANZDIENSTLEISTERN AUS?

Die Anforderungen an Unternehmensberater im Wandel – allgemeine Tendenzen

In der Beratungsbranche rückt man schon seit Jahren effiziente Umsetzungsrealität statt akademischer Denkmodelle bei den Beratungsansätzen in den Vordergrund. Vereinfacht formuliert geht es für Berater weniger darum, ihren Kunden den richtigen Weg aufzuzeigen, sondern den Weg zu ebnen, den Kunden auf diesem Weg zu begleiten und Gefahren abzuwenden, die auf diesem Weg drohen.

Dies resultiert aus der Tatsache, dass aufgrund der zunehmenden Marktsättigung der Wettbewerbsdruck in den Märkten steigt und damit auch die Anforderungen an die Marktteilnehmer auf allen Ebenen: angefangen bei der Strategieentwicklung über die Strategieumsetzung bis zur Implementierung und Automatisierung der Prozesse. Vor diesem Hintergrund liegen die Anforderungen an die Beratungsunternehmen auf der Hand: Klassische Beratungsansätze, bei denen nach einer umfangreichen Analyse eine Strategie abgleitet wird, die der Kunde dann umsetzt, genießen seitens der Beratungskunden immer weniger Vertrauen. Gemäß den Wünschen ihrer Kunden sollen sich Berater nicht mehr lange mit Analysen im Ist-Zustand aufhalten. Von ihnen wird erwartet, sich zusammen mit den Kunden gleich daran zu machen, den Soll-Zustand herzustellen. Heute müssen Unternehmensberater schon beim Pitch-Termin mit einer Lösung (z. B. basierend auf Best Practices) im Gepäck erscheinen.

Anforderungen an Unternehmensberater aus Sicht von Finanzdienstleistern

Was bedeutet dieser Wandel für die Branche der Finanzdienstleister? Hier lässt sich guten Gewissens behaupten: Das, was für andere Branchen gilt, gilt in diesem Fall erst recht für die Finanzdienstleistungsbranche. Die krisengeschüttelte Finanzbranche ist für deren Änderungsdruck, Kostendruck, Margenverfall und Reformbedarf bekannt. Folglich gilt das im vorherigen Absatz Gesagte in ganz besonderem Maße. Es gilt die Formel: beraten, umsetzen, betreuen.

Das ideale Beraterprofil aus Sicht von Finanzdienstleistern

Diese plakative Formel „beraten, umsetzen, betreuen“ sollte sich in der Beratungspraxis wie folgt konkretisieren: Der ideale Berater für Finanzdienstleister von heute glänzt durch eine überragende Kundenzentrierung. Der Kunde, dessen Kernprozesse, aber auch dessen Kultur stehen im Mittelpunkt des Kreislaufs aus Innovation, Strategie, Prozessoptimierung, IT-Solution, Services und Change-Management. Der Berater bringt die einzelnen Komponenten mit, sorgt für deren reibungsloses Zusammenspiel und entwickelt sie im ständigen Wechselspiel mit dem Kunden weiter. Grafisch dargestellt:

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Im Folgenden werden die Komponenten kurz erläutert.

  • Innovation: Auch im Finanzdienstleistungssektor erfährt der Faktor Innovation als einer der wichtigsten strategischen Eckpfeiler des letzten Jahrzehnts eine hohe Beachtung. Hervorhebenswert zu diesem Aspekt ist die Herausforderung, dass Finanzdienstleister mit ihren heterogenen Distributionsstrukturen und hohen regulatorischen Anforderungen die Innovation zeitnah zum Kunden bringen. Der ideale Berater wirkt bereits bei der Innovationsfindung mit und hat dabei immer den Rollout im Blick: Ist die Innovation realistisch? Kann sie mit Hilfe der bestehenden IT-Solution abgebildet werden bzw. sind Anpassungen nötig?
  • Strategie: Die Rolle der Beratungskomponente Strategie ergibt sich aus dem in der obigen Grafik dargestellten Kreislauf: Sie gliedert sich in den Kreislauf ein, anstatt wie früher an der Spitze eines Beratungsprozesses zu „thronen“. Dieser Wandel manifestiert sich auch auf Seiten der Anbieter von Strategieberatung. Dr. Christoph Treichler, Partner der Zürcher Beratungsmarkt-Experten Cardea AG, konstatiert: „Strategieberatung ist heute nicht mehr beschränkt auf reine Strategieentwicklung oder Strategiekonzepte. Strategieberater müssen heutzutage auch bei der Strategieumsetzung hohe Kompetenz aufweisen. Heute sind in der Strategieberatung Lösungen gefragt, die sehr speziell auf die Unternehmenssituation eingehen und die sich nachweislich realisieren lassen.“ [4]
  • Prozessoptimierung: Hier gilt das für die Strategiephase Gesagte analog. Die Kunden kennen die Problemstellungen und Lösungen selbst sehr gut. Man ist auf Kundenseite weder auf umfangreiche Analysen noch auf das Erarbeiten genialer Lösungen seitens der Berater angewiesen. Umsetzungserfahrung und vor allem Kosteneffizienz lässt sich für die Komponente Prozessoptimierung hervorheben. Es geht oftmals nicht mehr nur um das „wie“ allein, sondern vielmehr darum, „wie schnell“ eine Veränderung umgesetzt werden kann. Damit wollen sich die Unternehmen einen Geschwindigkeitsvorteil sichern, dem Wettbewerb voraus sein.
  • IT-Solution: Finanzdienstleister haben frühzeitig die Notwendigkeit leistungsfähiger IT-Systeme erkannt. Entsprechend haben das IT-Outsourcing und hierauf aufbauend das Business Process Outsourcing (BPO) lange Tradition. Heute ist zu beachten, dass die Bewältigung von Herausforderungen auf der IT-Ebene in der Vergangenheit meistens zu mehrjährigen Großprojekten geführt hat. Das gilt vor allem für die etablierten Finanzdienstleister, zu denen die Branchengrößen aus dem Bankenumfeld und den Versicherungen zählen. Komplexe IT-Systeme mögen für viele Einsatzgebiete auch heute noch erforderlich sein. Aber es gibt auch viele Problemstellungen, bei denen dies nicht mehr zeitgemäß ist. Die Nachfrageseite (d. h. die Kunden der Finanzdienstleister) fordert immer schneller neue Lösungen, die im Kontext von IT-Großprojekten einfach nicht mehr bedient werden können. Hier ist eine neue Evolutionsstufe der IT gefragt. Finanzdienstleister müssen mit Hilfe ihrer Berater Two-Speed-IT-Management beherrschen. Gefragt sind also Beratungshäuser, die diese neue Evolutionsstufe der IT schon heute bieten, wie z. B. afb mit den Fast Integration Business Services.
  • Services: Die Notwendigkeit von Services ergibt sich in einem solch komplexen Umfeld wie in dem oben dargestellten Beratungsprozess automatisch, insofern sind diese als selbstverständlich vorauszusetzen. Besonders gute Beratungsunternehmen bringen daher zwei wesentliche Grundbausteine mit: ausgiebige Kundenorientierung und zielgerichtete Lösungsorientierung! Hiermit wird aus scheinbar beliebig austauschbaren Services ein echter Wettbewerbsvorteil für den Kunden. Z. B. bietet die Digitalisierung im Bereich Dokumentenmanagement ein hohes Optimierungspotenzial in Form von Verkürzung der Durchlauf- und Bearbeitungszeiten. Dokumente liegen den Unternehmen heutzutage meist bereits elektronisch vor, dennoch genügt die Qualität der durch OCR- und Scanverfahren erzeugten Daten in der Regel nicht den regulatorischen und wirtschaftlichen Vorgaben und müssen zur weiteren Bearbeitung aufbereitet werden. afb bietet in diesem Zusammenhang einen Nacherfassungsservice, der die elektronischen Daten z. B. von Personalausweisen oder Entgeltabrechnungen qualitativ anreichert. Dieser Service unterstützt die Kunden bei der Zuordnung, Klassifikation, Plausibilitätsprüfung und Prüfungen auf erkennbare Sicherheitsmerkmale bzw. Auffälligkeiten. Die Kunden profitieren dadurch von einer verbesserten Datenqualität, höherer Effizienz und gesteigerter Kundenzufriedenheit.
  • Change: Schon lange hat sich in der Beratung die Erkenntnis durchgesetzt, dass es in einem Beratungsprozess nicht auf das „was“, sondern auf das „wie“ ankommt. Gerade in einem dynamischen Markt wie dem Finanzdienstleistungsmarkt ist es wichtig, die Handelnden der Veränderungsprozesse „mitzunehmen“: die Menschen. Insofern ist gerade bei umfangreichen Beratungsprojekten die Change Management Komponente bei tiefgreifenden Veränderungen besonders wichtig.

Zusammenfassung des optimalen Kompetenzprofils für Beratungsunternehmen

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Soviel zum idealen Kompetenzprofil von Beratungsunternehmen für Finanzdienstleister. Aber woran kann man als Bank, Versicherer oder Leasinggesellschaft erkennen, welche Unternehmensberatung über diese Kompetenzen verfügt?

 

3. ORIENTIERUNGSHILFEN FÜR FINANZDIENSTLEISTER FÜR DIE WAHL DER PASSENDEN UNTERNEHMENSBERATUNG

Kriterium Organisationsgröße der Unternehmensberatung => Consulting Boutique

Ein allererster Anhaltspunkt ist die Größe des Beratungshauses. Lassen sich hier Rückschlüsse ziehen, welche Organisation die oben genannten Voraussetzungen besonders gut erfüllen kann? Zur Auswahl stehen:

  • Global Player: Das sind die weltweit vertretenen Global Brands, wie z. B. McKinsey oder auch diejenigen, die sich aus der Wirtschaftsprüfung heraus entwickelt haben, wie z. B. Accenture, Deloitte, KPMG, PriceWaterhouseCoopers oder CapGemini. Sie befinden sich aktuell auf Einkaufstour, um die Digitalisierungs- und Innovationskompetenz aufzubauen.
  • Consulting-Boutiquen: Hier sind vor allem hochspezialisierte Einheiten gemeint, die mittelständischen Organisationen gleichkommen. Sie setzen vor allem auf exzellente Kundenorientierung, sind aber groß genug, um problemlos auch internationale Rollouts sicherzustellen.
  • Einzelberater: Einzelberater sind i. d. R. stark mit dem Kundenunternehmen verbunden, sind Teil ihrer Kultur und Organisation und sind flexibel einsetzbar. Für die Bewältigung der zu betreuenden oder umzusetzenden Aufgaben setzen sie auf flexibles Networking oder Beraternetzwerke.
  • Beraternetzwerke: Es gibt Beraternetzwerke, die versuchen, die Vorteile von Einzelberatern mit den Vorteilen größerer Organisationen zu verbinden. Prominente Vertreter dieses Ansatzes sind Eden McCalllum und a-connect, welche vor allem im deutschsprachigen Raum bekannt sind.

Aus unserer Sicht sind für Finanzdienstleister vor allem die Consulting-Boutiquen gut geeignet, um das obige Kompetenzprofil abbilden zu können. Der Grund dafür ist, dass ihr USP (exzellente Kundenorientierung in Verbindung mit ausreichender Organisationsstärke) der Bedarfsstruktur von Finanzdienstleistern exakt entspricht: Diese Beratungsunternehmen können den enormen Änderungsdruck ihrer Kunden aus der Finanzbranche sehr gut mitvollziehen und ständig „am Ball bleiben“. Sehr große Beratungsanbieter wie die Global Player haben aufgrund der schieren Größe ihrer eigenen Organisation hinsichtlich der „Wendigkeit“ Nachteile. Sehr kleine Beratungseinheiten, wie z. B. Einzelberater, tun sich schwer, die für größere Rollouts erforderliche Schlagkraft kurzfristig ohne Reibungsverluste zu ermöglichen.

Kriterium Unternehmensroadmap => IT

Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte und seinen individuellen Werdegang. Nicht alle Unternehmensberatungen waren schon immer eine Unternehmensberatung. Häufig haben sich Unternehmen aus der Umsetzungspraxis zu Unternehmensberatungen entwickelt. Das ist ein Entwicklungsprozess, der schon lange zu beobachten ist. Jedoch hat auch hier die Digitalisierung eine spürbare Verstärkung dieses Phänomens ausgelöst: Dem Beratungsmarkt werden in einem noch nie dagewesenen Maße Unternehmen aus „artverwandten“ Branchen zugeführt. Ein Beispiel hierfür sind IT-Unternehmen, Human Resources Spezialisten oder Werbe- bzw. Marketingagenturen. Der Beratungskunde hat heute die Qual der Wahl. Zu beachten ist dabei, dass die Beratungsunternehmen durch ihre Roadmap geprägt sind und dies Auswirkungen hat, wie sie Probleme angehen.

Welche Prägung eines Beratungsunternehmens ist für Finanzdienstleister besonders günstig? Aufgrund des Digitalisierungs-Diktats unserer Zeit spricht vieles für Consultants mit einem ausgeprägten IT-Stammbaum. Die größte Erfahrung beim „Digitalisieren“ haben die Beratungshäuser, die aus IT- oder Software-Dienstleistern hervorgegangen sind. IT wird auch in Zukunft ein zentraler Wettbewerbsfaktor bleiben und vor allem ein Urquell der für Finanzdienstleister so wichtigen Innovation.

Kriterium Themenspezialisierung => Digitalisierung

Ein wichtiges Differenzierungsmerkmal von Unternehmensberatungen waren schon immer Themenspezialisierungen. Die Spezialisierung auf ein Beratungsthema wird von vielen Beratern als wichtiges Positionierungsmerkmal gewählt. Spezialisieren kann man sich z. B. auf wichtige Unternehmensphasen (wie der Unternehmensentwicklung oder Krise / Turnaround / Insolvenz) oder auf technologiegetriebene Themen. Eine der wohl bekanntesten Spezialisierungen, die auch Beratungsmarkt-Laien nicht verborgen geblieben sein dürfte, ist Digitalisierung.

Die Gründe dafür sind nachvollziehbar: Einerseits zieht sich Digitalisierung durch alle Branchen. Andererseits ist zu beachten, dass auch alle Abteilungen bzw. Funktionen der in den Branchen tätigen Unternehmen mit der Digitalisierung konfrontiert sind. Somit kommt jedes Beratungsunternehmen mit allen gängigen Funktionsspezialisierungen damit in Berührung. Im Folgenden drei kurze Beispiele: Die Personalabteilung arbeitet an der Digitalisierung, folglich auch deren Berater, die auf Personal spezialisierten Consultingunternehmen (HR-Consulting). Die IT-Abteilung ist mit Digitalisierung beschäftigt, somit auch die Beratung der IT-Sparte (IT-Consulting). Eine Marketingabteilung arbeitet gerade an der Digitalisierung, folglich kommt auch die Beratung der Marketingabteilung damit in Berührung (Marketing-Consulting). Hieraus wird deutlich, weshalb es aktuell eine hohe Zahl an Beratungsunternehmen gibt, die Digitalisierung als Themenspezialisierung ausgerufen haben.

Angesichts dieser alles überragenden Bedeutung des Themas Digitalisierung erscheint es aus heutiger Sicht geboten, dass Berater eine ausgeprägte Digitalisierungskompetenz mitbringen. Gemäß der hier vertretenden These – Was für andere Branchen gilt, gilt für Finanzdienstleister erst recht – ist es naheliegend, dass Finanzdienstleister Berater bevorzugen sollten, die über eine ausgeprägte Digitalisierungskompetenz verfügen. Hieraus ergibt sich, dass Digitalisierung als die aus Sicht von Finanzdienstleistern wichtigste Themenspezialisierung erscheint.

Kriterium Leistungsform => Consulting 4.0 bzw. BITP

Das hier dargestellte Profil des idealen Beratungsunternehmens für Finanzdienstleister folgt keinem wissenschaftlichen Ansatz, sondern orientiert sich an der puren Praxis: Inspiriert und angetrieben von ihren Kunden hat die afb Application Services AG diesen Weg genommen. Ausgehend von einem state-of-the-art IT-System haben sich im Laufe der zwei Jahrzehnte Arbeit mit den Kunden die anderen Komponenten dazugesellt und wurden integriert. Diese Leistungsform wird gut durch den Begriff des Business Innovation und Transportation Partner beschrieben (BITP).

Der BITP-Philosophie nahe kommen die unter der aktuellen Consulting 4.0-Debatte diskutierten Inhalte. Was ist Consulting 4.0? Dr. Christoph Treichler ist der Bewegung mit dem Artikel „Consulting 4.0 – Neues Phänomen oder Hype?“ nachgegangen. Seiner Einschätzung nach ist eine Top-Down-Beschreibung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschließend möglich. Zum jetzigen Zeitpunkt steht Consulting 4.0 für die grundsätzliche Umwälzung einer Branche, die bis dahin von strukturellen Veränderungen verschont geblieben ist. Eine der Umwälzungen besteht in dem Umdenken hin zu der hier kreislaufartig dargestellten Philosophie des Beratens, Umsetzens und Betreuens.

Immerhin gibt es so etwas wie eine Geburtsstunde oder Initialzündung. Als solche führt er in diesem Zusammenhang einen 2013 von Clayton M. Christensen, Professor an der Harvard Business School, verfassten, in der Beratungsbranche viel beachteten Artikel an. In diesem konstatiert Christensen, dass disruptive Entwicklungen nun auch die Beratungsbranche erreicht haben. Den Beratern attestiert er, sich neu formen zu müssen: neue Geschäftsmodelle, neue Wachstumsfelder und innovative Produkte und Dienstleistungen [5].

Für den Finanzdienstleister lässt sich festhalten: Beratungsunternehmen mit einer Consulting 4.0- bzw. BITP-Ausrichtung können das hier als ideale Kompetenzprofil vorgestellte Set-Up mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bieten.

Zusammenfassung der Orientierungshilfen für Finanzdienstleister

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4. DIE RICHTIGE UNTERNEHMENSBERATUNG IN ABHÄNGIGKEIT VON DER ART DES FINANZDIENSTLEISTERS

Wie streng sich Finanzdienstleister an dem hier vorgestellten Idealprofil orientieren sollten, hängt stark von der Art des Finanzdienstleisters ab. Finanzdienstleister ist nicht gleich Finanzdienstleister. Bekanntlich verbirgt sich hinter diesem Sammelbegriff eine beträchtliche Vielfalt. Allen voran Banken, die wiederum selbst unterschiedlichste Ausprägungen haben, Versicherungen und sonstige Finanzdienstleister wie z.B. Leasinggesellschaften oder Factoring-Anbieter.

Darüber hinaus ist eine wichtige Gruppe an Unternehmen zu berücksichtigen, die zwar noch keine Finanzdienstleistungen anbieten, dies jedoch bald machen könnten: Immer wichtiger wird auch die Gruppe der Sekundär-Unternehmen, die als Finanzdienstleiser agieren. Allen voran:

  • Produktanbieter (Hersteller und Handel): Tendenzen, dass beispielsweise Hersteller Banken gründen (oder kaufen), um ihren Absatz zu fördern, gibt es schon lange. Sie sind die Klassiker, aber diese Ausrichtung verstärkt sich.
  • Tech-Giganten: Google, Facebook, Apple. Alle haben sie schon eine Banklizenz. Weniger bekannt, aber sehr aufschlussreich sind hier auch die Aktivitäten der Tech-Giganten aus der östlichen Hemisphäre, wie z. B. Yandex oder Alibaba.
  • FinTechs: Aktuell stehen vor allem junge FinTech-Start-ups im Zentrum der Aufmerksamkeit, die mit innovativen wie simplen Geschäftsmodellen auf den Markt drängen.

Es finden aktuell historisch bisher einmalige Entwicklungen statt, was die Zuführung neuer Player im Finanzmarkt anbelangt. Wir haben sie im afb-Positionspapier „Finance Business Next 2020“ analysiert. Bei Interesse kann man sie hier nachvollziehen. An dieser Stelle können wir die komplexen Zusammenhänge, welche Player-Konstellationen im Finanzmarkt auftreten werden, nur sehr vereinfacht weiterverfolgen. Hierfür teilen wir die Teilnehmer überspitzt in zwei Welten ein, die zwei grundsätzlich gegensätzlichen strategischen Stoßrichtungen entsprechen: „Verteidiger“ und „Angreifer“. Verteidiger sind Unternehmen aus der traditionellen Finanzwelt, wie z. B. Banken. Angreifer sind z. B. die FinTechs. Auch wird die Komponente Organisationsgröße aufgegriffen, mit den beiden Ausprägungen „groß“ und „klein“. Auf Basis dieser Kriterien wird im Folgenden ein vereinfachtes Entscheidungsmuster dargestellt und exemplarisch veranschaulicht:

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Große Verteidiger“: Sie sollten auf Beratungsunternehmen setzen, die dem idealen Kompetenzprofil besonders nah kommen. Der Grund liegt darin, dass ein solcher Consulting-Partner die Skills mitbringt, die Schwächen großer Verteidiger wettmachen können. So können die großen traditionellen Player z. B. mit einem intelligenten Two-Speed IT-Management die Geschwindigkeitsvorteile der FinTechs ausgleichen, ohne auf die Vorteile ihrer Legacy Systeme verzichten zu müssen.

Kleine Verteidiger“: Sie können ebenfalls von einem Beratungsunternehmen der hier vorgestellten Ausrichtung profitieren, jedoch benötigen sie nicht unbedingt alle Kompetenz-Komponenten in gleichem Maße.

Große Angreifer“: Hier könnte z. B. ein großer Tech-Gigant weniger Hilfe im technischen und Innovationsbereich, dafür aber Branchenwissen benötigen. Ein anderer großer Angreifer, wie z. B. ein traditionelles Industrieunternehmen, das in die Welt der Finanzdienstleistungen einsteigen möchte, hat dagegen ganz andere Anforderungen. Hier könnte die IT- und Innovationskompetenz eines BITP sehr hilfreich sein.

Kleine Angreifer“: Beispielsweise könnte für FinTech-Start-ups auch ein klassisch ausgerichtetes Beratungsunternehmen genau den richtigen Mehrwert liefern. FinTech-Startups bringen mit einer ausgeprägten IT-Kompetenz und Innovationsfähigkeit in der Regel Skills mit, die sich z. B. große Verteidiger von BITPs versprechen. Aber sie haben gegebenenfalls andere Fragestellungen, z. B. wie ein dynamisches Wachstum zu organisieren ist.

 

5. ERGEBNIS

  1.  Unternehmensberater und Finanzdienstleister bleiben auch in Zukunft treue Weggefährten und rücken dabei noch weiter zusammen.
  2. Aus Sicht von Finanzdienstleistern sollten Beratungsunternehmen praktisch orientierte Alleskönner sein. Für den Berater bedeutet das maximal vereinfacht ausgedrückt: beraten, umsetzen, betreuen. Das sich hieraus ableitende ideale Kompetenzprofil ist die Sicherstellung des Kreislaufs aus Innovation, Strategie, Prozess, IT-Solution und Change für den Kunden, der immer im Mittelpunkt stehen sollte.
  3. Finanzdienstleister können anhand verschiedener Anhaltspunkte ein derartiges Unternehmen identifizieren: Aus organisatorischer Sicht ist eine Consulting-Boutique gut geeignet. Besonders vielversprechend ist es, wenn deren Firmenhistorie vor allem in der IT- und Software-Branche verankert ist. Sie können Digitalisierung besonders gut umsetzen. Als Leistungsform ist Consulting 4.0 oder BITP ein starkes Indiz, dass die hier vertretene Philosophie gelebt wird.
  4. Wie stark man sich als Finanzdienstleister an dem hier vorgestellten idealen Beraterprofil orientieren sollte, hängt von der Art des Finanzdienstleisters ab – gerade auch im Hinblick auf den Eintritt neuer Player in den Finanzdienstleistungsmarkt. Als Faustregel lässt sich folgende Tendenz skizzieren: Je mehr „Verteidiger“-Rolle und je größer die Organisation ist, desto wichtiger ist es, einen Consultingpartner an der Seite zu haben, der dem hier vorgestellten Idealprofil entspricht.

Quellen

1 zeit online (2016). Aktie der Deutschen Bank fällt erstmals unter zehn Euro. URL: www.zeit.de/wirtschaft/2016-09/deutsche-bank-aktie-unter-zehn-euro-unternehmensgeschichte-boerse
2 BDU (2016). Facts and Figures zum Beratermarkt 2015 /2016, S. 5ff
3 BDU (2016). Facts and Figures zum Beratermarkt 2015 /2016, S. 9
4 Cardea. Strategieberatung im Zeichen veränderter Kundenbedürfnisse. URL: www.consultingsearcher.com/Cardea-Kompetenzcenter/Der-Beratungsmarkt/Strategieberatung-im-Zeichen-veraenderter-Kundenbeduerfnisse
5 Cardea. Consulting 4.0: The Future of Consulting oder nur Trend? URL: www.consultingsearcher.com/Cardea-Kompetenzcenter/Der-Beratungsmarkt/Consulting-4.0-The-Future-of-Consulting-oder-nur-Trend

Enrico Moritz