26.03.2018

Finance Business Next

Die Bank der Zukunft: Wie Künstliche Intelligenz die Branche prägt

26.03.2018  | Stephan Schwebe

Die Technologie der Künstlichen Intelligenz (KI) kann schon heute Kundendialog, Service-Prozesse und Wissensdomänen im Ecosystem der Banken signifikant verbessern. Daraus resultieren Chancen wie eine nachhaltige Differenzierung, Wettbewerbsvorteile oder gar neue Geschäftsfelder.

Jeder Mensch hat eine individuelle Definition, was Intelligenz für ihn persönlich bedeutet. Die Verwendung des Begriffs Künstliche Intelligenz führt in Summe zu einer sehr hohen und anspruchsvollen Erwartungsanhaltung hinsichtlich der Fähigkeiten einer Maschine, aber ebenso zu einer Vielzahl von Ängsten. Kann und werden uns zukünftig Maschinen ersetzen?

 

WAS BEDEUTET KOGNITION?

Der aus der Psychologie abgeleitete Begriff der menschlichen Kognition wird mit Fähigkeiten wie Kreativität, Erinnerung, Vorstellungskraft, Wille, Humor oder der Fähigkeit zu lernen veranschaulicht. Wenn wir heute über kognitive Systeme sprechen, dann folgt man dem Anspruch, einzelne oder mehrere dieser kognitiven Fähigkeiten mit IT darstellen zu können. Daraus folgt die Definition, dass ein kognitives System „verhaltenssteuernde menschliche Fähigkeiten“ besitzt. Damit umschreibt der Begriff „kognitives System“ im Vergleich zum Begriff „Künstliche Intelligenz“ deutlich besser eine Maschine, die einzelne menschliche Fähigkeiten abbilden kann.

Eine besonders relevante kognitive Fähigkeit ist das Verstehen von und Interagieren mit natürlicher menschlicher Sprache. Sehr häufig wird die Auffassung vertreten, dass Künstliche Intelligenz nur dann vorhanden ist, wenn man mit der Maschine einen „menschlichen“ Dialog führen kann. Da die natürliche Sprache aber in ihrer Sache hochkomplex und in ihrer individuellen Ausprägung einzigartig ist, war dies bisher maschinell schwer umsetzbar. Hierbei gilt es, in der natürlichen Sprache sowohl den Bedeutungsebenen (Wortbedeutung, Satzbedeutung, Kontext einer Aussage) wie auch dem Kontext und möglicher Ambiguität (Mehrdeutigkeit von Wörtern, Beispiel: Ich kann auf einer Bank sitzen oder mich in einer Bank befinden) gerecht werden zu können.

 

DATEN UND RECHENLEISTUNG: WIESO IST KI HEUTZUTAGE SO RELEVANT?

Die wachsende Leistungsfähigkeit von Computern, sowie die Vielzahl von verfügbaren Daten läutete in den vergangenen Jahren eine neue Ära von Systemen mit kognitiven Fähigkeiten ein. Mittels intensiver Analysen sowie komplexer Analysemethoden werden heute Algorithmen entwickelt, die mit Hilfe weiterer Daten dazulernen und sich kontinuierlich verbessern können. Der Begriff des „maschinellen Lernens“ hat sich zwischenzeitlich fest etabliert.

Technologien mit kognitiven Fähigkeiten sind bereits heute oftmals fester Bestandteil unseres Lebens: Wir interagieren den Tag über mit Assistenten wie Siri oder GoogleNow auf unseren Smartphones; beim Online-Shopping in der Mittagspause bei Zalando oder Amazon bekommen wir auf unseren Geschmack zugeschnitten Produkte offeriert; auf dem Heimweg hören wir automatisch zusammengestellte Playlisten von Spotify und abends folgen wir unserem individualisierten Unterhaltungsangebot bei Netflix.

Trotz all der Fortschritte ersetzt Künstliche Intelligenz die menschlichen Fähigkeiten heutzutage in vielen Lebenssituationen bei Weitem nicht.

 

WELCHEN EINFLUSS HAT KÜNSTLICHE INTELLIGENZ AUF BANKEN?

Die Digitalisierung hat auch vor der Bankenindustrie keinen Halt gemacht und zu teilweise radikalen Änderungen geführt. Man muss sich nur die Anzahl von FinTech-Unternehmen in Deutschland anschauen, um zu wissen, dass sich die Industrie derzeit extrem wandelt. Im Zuge dessen möchte ich vor allem die Interaktion der Banken mit ihren Kunden hervorheben, die sich durch die Digitalisierung dramatisch geändert hat. Kunden erwarten mittlerweile ein anderes und vor allem besseres, individuelleres Kundenerlebnis (User Experience), als sie das vielleicht noch vor ein paar Jahren getan haben.

Neben den Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, gibt es aber auch viele Chancen für die Bankenindustrie. Zusätzlich zur bereits angesprochenen User Experience, können Banken gerade die Künstliche Intelligenz nutzen, um die Interaktion mit ihren Kunden besser und individueller zu gestalten, aber auch die Effizienz und damit die eigene Kostenstruktur zu verbessern.

In der Kundenberatung werden kognitive Systeme im direkten Dialog, aber auch unterstützend von Beratern eingesetzt. Dies wird als kognitives Banking bezeichnet.  Mit Virtual-Advisor- und Chatbot- Lösungen können hierbei einfache, aber auch komplexere Beratungsleistungen erbracht werden. In einem einfachen Anwendungsszenario kann beispielsweise ein maschineller Chat-Dialog zu einfachen Serviceanfragen geführt werden. In komplexeren Szenarien berät ein virtueller Berater bei der Baufinanzierung oder Absicherung der Rente.

Kognitive Technologie muss aber nicht zwangsweise im direkten Dialog mit dem Kunden verwendet, sondern kann auch dem Bankberater als internes Werkzeug zur Verfügung gestellt werden. Als konkretes Beispiel kann ein kognitives Dashboard dem Bankberater automatisiert relevante Beratungsinformationen vor oder auch in Echtzeit während des Beratungsgespräch zur Verfügung stellen oder gar Beratungsempfehlungen aussprechen. So können kognitive Virtual-Advisor-Lösungen Vorbereitungszeiten und Recherchen für Kundentermine signifikant verkürzen sowie eine zielgerichtete und teilweise höhere Beratungsqualität sicherstellen.

Kognitive Technologie wird heute bereits verwendet, um Service Prozesse in Service Center zu optimieren. Mit dem Verständnis der natürlichen Sprache können Service-Vorgänge (teil-)automatisiert bearbeitet werden. Hierzu gehört sowohl das Routing von erkannten Kundenanliegen an die richtige Prozessfunktion, als auch die Unterstützung beim Finden der passenden Problemlösung. Sobald ein Kundenanliegen automatisiert verstanden und vollautomatisiert bearbeitet wird, sprechen wir von kognitiven Robotics Lösungen.

 

SELBSTLERNENDE SYSTEME UND LIMITIERUNG DER KI-TECHNOLOGIE

Künstliche Intelligenz sieht sich einer hohen Erwartungshaltung ausgesetzt, die heute häufig in der initialen Praxiserprobung noch nicht in allen Dimensionen umsetzen lässt. Daher ist es für den Einsatz von KI-Technologie im Umfeld einer Bank wichtig zu verstehen, wie ein System, das Künstliche Intelligenz nutzt, arbeitet und in welcher Schrittfolge kognitive Technologie eingeführt werden sollte.

Analog zum Lernprozess eines Menschen zu einzelnen, menschlichen kognitiven Fähigkeiten besteht kognitive Technologie aus Einzeldisziplinen (z.B. sprachliches Verständnis, analytische Fähigkeiten, Verständnis von Tonalität und visueller Darstellung).

Darauf aufbauend wird ein kognitives System zunächst mit der Bankfachlichkeit trainiert und auf ein autonomes „Weiterlernen“ vorbereitet.

Ein selbstlernendes System muss die Welt „wahrnehmen“, Daten sammeln, die gesammelten Informationen verstehen und handeln, um fundierte Empfehlungen zu geben. Dazu ist es notwendig die richtige Anzahl relevanter Informationen zu sammeln, diese aufzubereiten und in mehreren Schritten dem System „anzutrainieren“. Dieser Prozess mag heute noch vergleichsweise schwerfällig erscheinen, doch mit zunehmenden Datenbeispielen kann und wird ein KI System auch selbstständig dazulernen und sich kontinuierlich selbst verbessern.

 

DIE MENSCHLICHE KOMPONENTE BLEIBT AUCH KÜNFTIG ERHALTEN

Künstliche Intelligenz wird die nächsten Jahre das digitale Kundenengagement durch natürliche Sprache noch weiter revolutionieren, noch nicht beantwortbare Fragen und Sachverhalte erforschen, Entscheidungen mittels evidenzbasierten Empfehlungen erleichtern, gesetzliche Compliance und regulatorische Anforderungen automatisiert überprüfen und analysieren.

Systeme mit kognitiven Fähigkeiten ändern heute und zukünftig die Rolle des Mitarbeiters in einer Bank, werden die menschliche Komponente in der Bank aber nicht abschaffen. Die menschliche Intelligenz ist und bleibt in den nächsten Jahren weiterhin einzigartig.

Stephan Schwebe