29.08.2018

Finance Business Next

Master Data Management erleichtert regulatorische Compliance

29.08.2018  | Dr. Lars Rüsberg

Accounting, Risikocontrolling und Meldewesen verursachen derzeit einigen Aufwand bei Kreditinstituten. Die Umsetzung der auf europäischer Ebene verabschiedeten, großen und seit langem diskutierten Themen IFRS 9, BCBS 239 und AnaCredit betreffen nicht nur die großen, systemrelevanten Institute. Die Aufsicht legt – z. B. in Bezug auf BCBS 239 – über ihr Anschreiben zur MaRisk-Novelle auch den sonstigen Kreditinstituten nahe, sich sowohl mit den Regeln im besonderen Teil der MaRisk (BT 3, Risikoaggregation) als auch mit den „eigentlich“ nicht relevanten Themen des Allgemeinen Teils (AT 4.3.4, Datenmanagement, Datenqualität und Aggregation von Risikodaten) auseinanderzusetzen.

Hintergrund und ursächlich hierfür sind einerseits die bankspezifisch zu interpretierenden, ressortübergreifenden, von der Europäischen Zentralbank (EZB) und nationalen Zentralbanken sowie der jeweiligen Aufsicht zunehmend stringenter verfolgten Grundsätze für die Verarbeitung transaktionaler, granularer Daten wie auch der häufig notwendige Umbau der IT- und Datenarchitektur. Um neben den Kosten zur Einhaltung der Regulierung weiteren Mehrwert zu schaffen, beginnen viele Banken damit, gleichzeitig fachliche und technische Chancen zu realisieren. Insbesondere die Reduktion manueller Aufwände für die interne Berichterstattung ist hierfür ein Beispiel: Denn dies führt zu einer deutlichen Beschleunigung des Reporting, verbunden mit einer besseren Analyse- und Prognosefähigkeit sowie einer vereinfachten Überleitung zwischen Datentöpfen. Darüber hinaus beginnen einige Banken damit, die Standards von BCBS 239 auch auf marktnähere Bereiche zu übertragen, also etwa auf Kundendaten.

Ein Master Data Management optimiert hierbei den Aufwand und bringt noch weitere Vorteile.

 

AKTUELLES ANWENDUNGSBEISPIEL ANACREDIT

Mit den so genannten Analytical Credit Datasets, kurz AnaCredit, verfolgen die Europäische Zentralbank und mit ihr die nationalen Zentralbanken und auch Aufsichtsbehörden das Ziel, eine international harmonisierte Datenbasis für die Inanspruchnahme und Vergabe von Krediten aufzubauen. Die Datenbasis wird standardisiert und regelmäßig erhoben und steht dem Zentralbanksystem für statistische und geldpolitische Auswertungen zur Verfügung. Es können Analysen über Art, Höhe, Laufzeit, Kreditnehmer und Risikoinformationen von vergebenen Krediten gemacht werden. Darüber hinaus soll die Datenbasis AnaCredit für aufsichtsrechtliche Zwecke genutzt werden, insbesondere um Risiken innerhalb des europäischen Finanzsystems frühzeitig zu erkennen.

Zur Meldung von AnaCredit an die Deutsche Bundesbank sind in Deutschland gebietsansässige Kreditinstitute sowie in Deutschland gebietsansässige Zweigniederlassungen von im Ausland gebietsansässigen Kreditinstituten (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/867) verpflichtet. Als Kreditinstitute gelten die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Unternehmen. Sie sind unabhängig davon berichtspflichtig, ob es sich bei ihnen um gemäß der Richtlinie 2013/36/EU beaufsichtigte Institute handelt.

Somit sind Deutschland zwar Kreditinstitute berichtspflichtig, nicht jedoch Finanzdienstleistungsinstitute wie z. B. reine Leasinggesellschaften. Kreditinstitute, die keine CRR-Kreditinstitute sind, sind nicht meldepflichtig.

Die Deutsche Bundesbank hat die Anforderungen aus der Verordnung (EU) 2016/867 der Europäischen Zentralbank vom 18. Mai 2016 über die Erhebung granularer Kreditdaten und Kreditrisikodaten (EZB/2016/13; „AnaCredit-Verordnung“) in der statistischen Anordnung einer Kreditdatenstatistik (AnaCredit) vom 28. Juli 2016 konkretisiert und an die Gegebenheiten des deutschen Rechtsrahmens angepasst bzw. entsprechend ausgestaltet.

Es wurden nur vereinzelte Änderungen am Entwurf von 2015 vorgenommen. Statt 94 werden nur noch 89 Attribute und statt sieben „nur noch“ sechs Identifikatoren abgefragt. Wichtigste Änderung ist eine Verschiebung des Zeitplans um sechs Monate. Die erste Meldung von Stamm- und Kreditdaten muss nun verpflichtend zum September 2018 erfolgen.

Die in Deutschland berichtspflichtigen Kreditinstituten haben alle Kreditarten (keine Derivate) an Kreditnehmer, die keine natürlichen Personen sind, also juristische Personen, ab einem Gesamtkreditengagement von 25.000 EUR je Kreditnehmer zu melden. Dabei ist für einen Vertragspartner nur ein Stammdatensatz je Berichtspflichtigem zu übermitteln, unabhängig davon wie viele verschiedene Rollen (z.B. Schuldner, Sicherungsgeber etc.) der Vertragspartner einnimmt.

Meldeumfang bei AnaCredit

Gemäß Artikel 16 (1) der Verordnung (EU) 2016/867 können die nationalen Zentralbanken Meldeerleichterungen für „kleine“ Berichtspflichtige gewähren, sofern deren gemeinsamer Anteil zwei Prozent des Gesamtbetrags ausstehender Kredite gemäß Verordnung (EU) Nr. 1071/2013 der Europäischen Zentralbank (EZB/2013/33) aller im Berichtsmitgliedsstaat gebietsansässiger Berichtspflichtigen nicht übersteigt.

Um zu bestimmen welche Institute unterhalb der Grenze liegen, ist daher zunächst ein Ranking der Kreditinstitute nach Größe des BSI-Kreditvolumens zu erstellen. Dann ist der kumulierte Anteil am Gesamtkreditvolumen in dem Ranking zu berechnen. Diese Berechnung kann nur von der jeweiligen nationalen Zentralbank durchgeführt werden, weil nur sie über die notwendigen Daten verfügen.

Die letzte bekannte Auswertung ergab für Deutschland, dass der Durchschnitt der fünf größten „kleinen“ Institute – also diejenigen fünf Institute, die noch unterhalb der 2%-Grenze liegen – hinsichtlich des gesamten ausstehenden Kreditbetrags bei 332 Millionen EUR liegt.

Für rund 750 kleinere Banken soll es Erleichterungen geben. Sie müssen statt 89 einzelner Attribute nur 25 Einzelangaben zu Krediten melden.

Die Komplexität der Meldung ergibt sich aus einer Kategorisierung, die bereits Eingang in Wikipedia gefunden hat [1]. Danach lassen sich die zu meldenden Daten in folgende Kategorien einteilen:

  • Counterparty Reference Data: Identifizierung der Gegenpartei, vorzugsweise über den Legal Entity Identifier (LEI), Anschrift, Größe, Zahl der Beschäftigten, Bilanzsumme u. a.
  • Instrument Data: ID für beide Parteien, das Geschäft und Instrument, Instrumenttyp, Währung, Zahlungsfrequenz u. a.
  • Financial Data: Zinssatz, Zahlungsströme, Art der Sicherung u. a.
  • Counterparty-instrument Data: Rolle der Gegenpartei für das Geschäft
  • Joint Liabilities Data: Höhe der verbundenen Verpflichtungen
  • Accounting Data: Relevanter Bilanzierungsstandard und Einstufung des Instruments, Abschreibungen, Rating nach dem jeweiligen Standard
  • Protection received Data: Art und Höhe der Absicherung, IDs des Sichernden
  • Instrument-protection received Data: bereits zur Verfügung gestellter Absicherungsbetrag
  • Counterparty-risk Data: Ausfallwahrscheinlichkeit der Gegenpartei
  • Counterparty-default Data: Ausfallstatus der Gegenpartei

Die Meldungen der Daten haben, je nach Kategorie, auf monatlicher oder auf Quartalsbasis zu erfolgen. Der Zeitplan stellt sich aktuell wie folgt dar:

  • Seit März 2018 sind die Institute verpflichtet sog. Counterparty Reference Data zu melden.
  • Ab September 2018 müssen alle Datenfelder bedient werden.
  • Testmeldungen an die Zentralbanken sind seit Dezember 2017 möglich. Sie sollen sowohl den Meldepflichtigen als auch den Zentralbanken helfen, einen reibungslosen Ablauf zum verpflichtenden Meldebeginn zu ermöglichen
  • In einer zweiten Stufe könnte AnaCredit auch auf Kredite von Privatpersonen ausgeweitet werden. Ein zeitlicher Rahmen dafür ist unbekannt.

Die Meldung der Vertragspartner-Stammdaten und Kredit-Stammdaten hat einmalig bei Abschluss zu erfolgen, dies ist täglich möglich, muss jedoch für in Deutschland gebietsansässige beobachtete Einheiten spätestens bis zum Geschäftsschluss des 6. Geschäftstages und für im Ausland gebietsansässige beobachtete Einheiten spätestens bis zum Geschäftsschluss des 15. Geschäftstages nach Ablauf eines jeden Monats erfolgen. Bei Änderung eines oder mehrerer Datenfelder ist nicht nur das jeweilige geänderte Datenfeld zu melden, sondern es sind alle Datenfelder des betroffenen Stammdatensatzes zu übermitteln.

Ebenfalls einmalig bei Abschluss mit den gleichen Fristen sind dynamische Kreditdaten zu melden. Hierzu zählen Finanzdaten, Daten zu Verbindlichkeiten mit mitschuldnerischer Haftung, Daten zu Instrument-empfangene Sicherheit, Daten des Vertragspartnerrisikos und Daten des Vertragspartnerausfalls. Weitere dynamische Kreditdaten, gemeint sind Rechnungslegungdaten, sind vierteljährlich an die Deutsche Bundesbank zu übermitteln.

Als Einreichungsformat für Massendaten ist der technische XML-Standard SDMX zu verwenden. Die Deutsche Bundesbank hat Schemadateien zur Verfügung gestellt, die ähnlich den XBRL-Taxonomien das zu übermittelnde Format beschreiben.

Was sind die Herausforderungen von Anacredit?

Zunächst muss festgestellt werden, ob ein Kreditinstitut der reduzierten oder vollumfänglichen Meldepflicht unterliegt. Als nächstes müssen die komplexen Geschäftsbeziehungen analysiert werden; es gilt also herauszufinden, wer Gläubiger, Originator, Servicer oder Sicherungsgeber ist.

Einerseits ist den aktuellen Vorgaben zu folgen und diese sind umzusetzen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie sich im Laufe der Zeit weiter verändern, ggf. noch granularer werden und auf weitere Geschäfte (mit Privatkunden) ausweiten.

Andererseits ist es nur eine Großbaustelle, die es so mit anderen Aktivitäten zu verknüpfen gilt, dass möglichst flexibel auf „alle“ Reportinganforderungen des EZBS / der Aufsicht(en) regiert werden kann. Dabei ist zugleich zu vermeiden, dass Doppelarbeit anfällt oder dass Daten so aufbereitet werden, die Auswertungen nach einem anderen Standard (u. B. BCBS 239) unmöglich macht.

 

IDEALZUSTAND: JEDERZEIT DATENKONSISTENZ UND -TRANSPARENZ

Um die regulatorische Compliance im Meldewesen leichter und schneller zu erreichen, ist ein gutes Master Data Management notwendig. Anwender der afb-CMS können die Partnerverwaltung der Lösung einsetzen. Denn sie bietet Funktionen rund um die Suche, Anlage und Pflege sämtlicher Daten der Geschäftspartner wie Kontakt-, Adress- und Stammdaten mit unterstützenden Plausibilitätsprüfungen. Hinzu kommt die Möglichkeit, Rollen frei zu definieren und Beziehungen der Geschäftspartner untereinander darzustellen, z. B. Kreditnehmereinheiten, Unternehmensverbunde oder Risikogemeinschaften einschließlich der Erfassung von Beteiligungen und Anteilen.

Die Geschäftspartnerdaten werden für das Meldewesen AnaCredit um die erforderlichen Beziehungen, Rollen, Einheiten und zusätzlichen Datenfelder ergänzt.
Die einzelnen Kreditprodukte müssen, insbesondere in deren Kombination mit weiteren Finanzprodukten, wie Kredit, Leasing oder Einkaufsfinanzierung sowie den Sicherheiten differenziert werden.

Die Vertragsdatenverwaltung der afb-CMS bietet Funktionen rund um die Suche, Anlage und Pflege sämtlicher Daten der Kreditverträge. Im Rahmen des Master Data Managements werden die Vertragsdaten von den relevanten Vertragsverwaltungssystemen importiert und synchronisiert. Die Bewirtschaftung der Verträge erfolgt weiter in den jeweiligen Vertragsverwaltungssystemen unabhängig von der zentralen Vertragsdatenverwaltung der afb-CMS.

Die Vertragsdaten werden für das Meldewesen AnaCredit ebenfalls um die erforderlichen zusätzlichen Datenfelder ergänzt.

Das operative Master Data Management erfolgt dann wie folgt:

  • Die gemeinsamen Daten der angeschlossenen Geschäftspartnerverwaltungen werden miteinander im Dialog- oder Batch-Modus synchronisiert.
  • Die Daten der angeschlossenen Vertragsverwaltungen werden im Dialog- oder Batch-Modus importiert.
  • Die Synchronisation, der Import und der Export erfolgen über den Enterprise Service Bus (ESB). Eine Vielzahl von Schnittstellen zu Drittsystemen sind verfügbar.
  • Die Partner- und Vertragsdaten des MDA werden gemäß der vorgegebenen Periode regelmäßig für das Meldewesen exportiert. Der Export erzeugt einerseits SDMX oder andererseits die Daten in einem gewünschten Format für ein angeschlossenes Meldewesen-System.
  • Der Service überwacht seine Aktivitäten und kann diese über den ESB auch per Mail versenden.

Master Data Management ESB

Abbildung: Master Data Management für AnaCredit über einen Enterprise Service Bus

 

VORTEILE EINES MASTER DATA MANAGEMENT

Das Master Data Management besteht aus einem generischen und flexiblen Datenmodell. Damit können sowohl Daten aus der Lösung afb-CMS als auch aus anderen Systemen zusammengeführt und genutzt werden.

Duplikate aus unterschiedlichen Quellen können auf Basis konfigurierbarer Regeln entfernt bzw. verteilte Daten zusammengeführt werden.

Durch die Nutzung eines gemeinsamen Datenbestandes können Unternehmen von komfortablen Verwaltungsfunktionen, vielseitigen Analysemöglichkeiten und flexiblen Reporting-Möglichkeiten profitieren.

Der Aufwand, der im Zusammenhang mit den Anforderungen aus dem Meldewesen AnaCredit anfällt, kann also zu weiteren Optimierungen im Stammdatenmanagement und für die Analyse von Kunden- und Vertragsdaten führen.

Dr. Lars Rüsberg