04.03.2019

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Digitalisierung Begriff – Basiswissen und Hintergrundinformationen

04.03.2019

Digitalisierung kurz erklärt

Mit dem Begriff „Digitalisierung“ verbinden Menschen heute eine große Anzahl von Assoziationen, darunter vieles aus dem Alltag: TV-Serien zeitlich und räumlich flexibel streamen, selbst die komplexesten Verträge (z. B. Kreditverträge) online unterzeichnen; die Steuerung der Heizung per Smartphone von unterwegs; E-Mails vom Sprachassistenten Alexa vorlesen lassen; ein perfektes Client Onboarding bei seiner neuen App oder im Online Shop haben usw. … Stark vereinfacht ausgedrückt lässt sich Digitalisierung als Vereinfachung des Alltags und Effizienzsteigerung in der Wirtschaft durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie beschreiben. Es gibt aber auch negativ eingefärbte Gedankenverbindungen: Beispielsweise wird das Verschwinden ganzer Industrien beklagt, ein massiver Stellenabbau durch künstliche Intelligenz befürchtet, Roboter und Algorithmen werden kritisch gesehen, Datenmissbrauch und Datenhandel führen zu politischen Diskussionen. Und es gibt die diffuse Furcht, dass in naher Zukunft die Maschinen vielleicht klüger als ihre Konstrukteure sind.

Digitalisierung vs. digitale Transformation vs. digitaler Wandel

Angesichts der vielseitigen Assoziationen überrascht es wenig, dass sich auch eine Vielfalt an Begriffen rund um den der Digitalisierung entwickelt hat. Man findet neben dem Begriff „Digitalisierung“ auch „digitale Transformation“ und „digitaler Wandel“.

Häufig werden die Bezeichnungen in der Praxis synonym verwendet. Doch ist das tatsächlich so oder geschieht das aus Bequemlichkeit bzw. mangels besseren Wissens? Dieser kurze Wiki-Beitrag untersucht diese Frage. Gelingt eine trennscharfe Abgrenzung und schlüssige Systematisierung, so hilft dieser Beitrag, die Vielschichtigkeit des Phänomens „Digitalisierung“ besser zu verstehen.

Zum Begriff „Digitalisierung“

Definition

Streng genommen bezeichnet Digitalisierung die Umwandlung von analogen Signalen in digitale Formate [1] oder die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen [2]. Angesichts der Tragweite, die dem Wort „Digitalisierung“ in der öffentlichen Diskussion zugestanden wird, erscheint dies eine erstaunlich eng gefasste Definition zu sein. Ist das korrekt? Ja, die Historie spricht dafür: Tatsächlich wurde das Wort Digitalisierung zu einem weitaus früheren Zeitpunkt verwendet als z. B. der Begriff „digitale Transformation“. Ein gutes Beispiel ist die Software-Industrie rund um das Thema Dokumentenmanagement. Hier ging es bereits vor 20 Jahren darum, Papier in elektronische Dokumente umzuwandeln und zu archivieren. Ein ähnliches Beispiel ist die Musikindustrie, die beispielsweise bereits in den frühen 2000er-Jahren das Phänomen der Digitalisierung mit dem damals neuen MP3-Format verbunden hat.

Lücke zwischen Theorie und Praxis

Woran liegt es dann, dass dieser offenbar eng gefasste Begriff derart Allgegenwärtigkeit ist und eine Bedeutung bekommt, wie wir das heute erleben? Grund ist wohl, dass der Begriff Digitalisierung zumeist unbewusst für „artverwandte“ Digitalisierungsphänomene verwendet wird, die nachfolgend beschrieben werden.

Zum Begriff „digitale Transformation“

Vor allem in Veröffentlichungen der Wirtschaft spricht man anstelle von Digitalisierung häufig von „digitaler Transformation“. Diese beiden Begriffe werden oft synonym bzw. undifferenziert verwendet.

Bleibt man bei der obigen eng ausgelegten, technisch geprägten Begriffsbestimmung von Digitalisierung, so ist klar, dass zu einer „digitaler Transformation“ mehr hinzukommen muss. Vor diesem Hintergrund leuchtet folgende Definition ein: Digitale Transformation bezeichnet den „zielgerichteten Einsatz von digitalen Technologien, um die eigenen Wertschöpfungsprozesse unter Einsatz von digitalen Technologien neu- oder umzugestalten“ [3]. Diese Definition stellt somit auf die gesamt- und einzelwirtschaftlichen Aspekte des digitalen Wandels ab.
Die Ebenen der digitalen Transformation

Nennenswert für diese Betrachtungsweise sind die drei Ebenen der digitalen Transformation, die im Folgenden tabellarisch dargestellt werden.

 

Transformationsebene Beschreibung Beispiele
Prozesse Geschäftsprozesse werden durch Software automatisiert ERP-Systeme, Kreditmanagementsoftware …
Produkte Kundennutzen wird zunehmend aus Softwarefunktionen und digitalen Inhalten generiert Assistenz- und Navigationsfunktionen im Pkw, in E-Books, Apps, Business-Software …
Geschäftsmodelle Tendenz vom Produktverkauf zum Angebot von Services App Store, Software-as-a-Service, Sharing-Economy-Portale, FinTechs

 

Tabelle: Die Ebenen der digitalten Transformation

Die zentralen Erfolgsfaktoren für eine digitale Transformation

Auf Basis empirischer Untersuchungen werden vier zentrale Faktoren für einen erfolgreichen digitalen Transformationsprozess angeführt: Technologienutzung, Veränderungen bei der Wertschöpfung, strukturelle Veränderungen und finanzielle Aspekte [4]. Außerdem bedarf es vollständig neuer Denkmodelle, da neue Player mit disruptiven Geschäftsmodellen schnell große Marktanteile erobern [5]. So äußerte Jeffrey Immelt (CEO von General Electric) 2016 Folgendes: „Wir können kein Industrieunternehmen mehr sein. Wir müssen mehr so werden wir Oracle oder Microsoft.“

Dieses Zitat thematisiert bereits vorrangig die Denkwelt innerhalb der Unternehmen. Welche Digitalisierungsstrategie ist wichtig? Wie organisiert man das Unternehmen neu, welche Technologien nutzt man usw.? Diese Sichtweise hat auch noch einen weiteren Begriff entstehen lassen: Man entdeckt ab und zu auch den Terminus „Corporate Digital Transformation“. Dieser stellt vor allem die Unternehmen in den Fokus.

Zum Begriff „digitaler Wandel“

Während sich das Verhältnis von Digitalisierung zu digitaler Transformation nicht auf Anhieb erschließt, ist der Zusammenhang von Digitalisierung zu digitalem Wandel schnell erkennbar: „Digitaler Wandel“ suggeriert recht eindeutig eine weiter gefasste Sichtweise. So ist es auch. Tatsächlich beschreibt der Terminus „digitaler Wandel“ die Ausprägungen und Konsequenzen des digitalen Veränderungsprozesses „Digitalisierung“ auf alle sozialen bzw. gesellschaftlichen Lebensbereiche (Medizin, Bildung, Politik, Medien, Kultur, Immobilien, Unterhaltung, Infrastruktur) [6] und wirtschaftlichen Prozesse.

Ausgewählte Themengebiete des digitalen Wandels

Viele der aktuell intensiv thematisierten Errungenschaften und Phänomene lassen sich dem digitalen Wandel zuordnen. Hier nur eine kleine Auswahl, um die Systematik verständlich zu machen:

  • Big Data: Die Fähigkeit zu Gewinnung, Austausch und Analyse von Daten gewinnt radikal an Bedeutung [7]. Durch soziale Netzwerke, moderne Analysemethoden und das Internet werden Daten zu einem wertvollen Gut und Wettbewerbsvorteil, womit steigende Herausforderungen für den Datenschutz einhergehen.
  • Internet of Things – Internet der Dinge: Objekte, Alltagsgegenstände und Maschinen werden über das Internet miteinander verbunden und können so miteinander kommunizieren [8].
  • Artifical Intelligence oder Künstliche Intelligenz (KI) sowie selbst lernende maschinelle Systeme [9], aktuelle Anwendungen: Chatbots für Kundenberatung und -support, automatisierte Übersetzung, Spracherkennung usw.
  • Vernetzung von Menschen und Systemen: Vernetzung durch Social Networks, Apps, Cloud-Computing …
  • Virtual Reality: Durch Nutzung von Virtual Reality (und auch Augmented Reality und Mixed Reality) im privaten und geschäftlichen Bereich kann die echte Realität um eine künstliche Realität erweitert werden.

Wichtigste gesellschaftliche Auswirkungen

Ebenso vielfältig sind die Auswirkungen des digitalen Wandels. Sie sind Gegenstand der täglichen Nachrichten. Auch in diesem Wiki-Beitrag werden nur drei davon skizziert, um die Systematik zu verdeutlichen:

  • Durch den digitalen Wandel verändern sich ganze Branchen und Unternehmen massiv oder verschwinden sogar zum Teil in ihrer ursprünglichen Form [2]. Einprägsames Beispiel ist die hier in Bezug auf Finanzdienstleistungen häufig thematisierte grundlegende und nachhaltige Veränderung der Banken- und Versicherungsbranche.
  • Weiterhin kommt es zu starken Umwälzungen in der Arbeitswelt: Bereits heute können in Deutschland bei 15 Prozent der Berufe über 70 Prozent der Aufgaben von Computern übernommen werden [10]. Laut einer amerikanischen Studie könnten in den USA innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre knapp die Hälfte aller Jobs automatisiert werden [11] – wobei diese Zahlen auf Europa und Deutschland übertragbar sind [12]. Allerdings werden durch den digitalen Wandel auch neue Arbeitsplätze entstehen: So schätzt die OECD, dass 65 Prozent unserer Kinder künftig Tätigkeiten ausüben werden, die es heute noch gar nicht gibt [13]. Die Entwicklung kann gut durch Schumpeters Sinnbild der schöpferischen Zerstörung veranschaulicht werden.
  • Zudem ändert sich gleichzeitig die Funktionsweise der Arbeitswelt: Hierarchische Strukturen werden durch flexible Netzwerke abgelöst und die geschuldete Arbeitsleistung wird nicht mehr nach Zeit, sondern nach Ergebnis bemessen [14].

Zusammenfassende Begriffsabgrenzung

Abschließend sei gesagt, dass es gut möglich ist, die Begriffe „Digitalisierung“, „digitale Transformation“ und „digitaler Wandel“ voneinander abzugrenzen, wenn man nur etwas Genauigkeit an den Tag legt. Inwiefern sich das in der Praxis durchsetzen lässt, ist zwar fraglich. Aber es hilft, die vielen Themen im Denkuniversum „Digitalisierung“ besser einzuordnen, zu strukturieren und zu erfassen. Der Verbesserung dieses Verständnisses dient dieser Wiki-Beitrag. Vor diesem Hintergrund ist die zusammenfassende Grafik zu verstehen:

Abbildung: Zusammenhang Digitalisierung, Digitale Transfomation und Digitaler Wandel

Quellen

1 Wikipedia (2018). Digitalisierung. URL: de.wikipedia.org/wiki/Digitalisierung
2 Bendel, O., (2018). Gabler Wirtschaftslexikon. Digitalisierung. URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195
3 Kreuzer, R. T., Land, K. H. (2015). Dematerialisierung – Die Neuverteilung der Welt in Zeiten des digitalen Darwinismus., S. 198.
4 Matt, C., Hess, T., Benlian, A. (2015). Digital Transformation Strategies. In: Business & Information Systems Engineering 57(5), S. 339–343. URL: www.researchgate.net/profile/Christian_Matt/publication/281965523_Digital_Transformation_Strategies/links/580bdfd408ae74852b5a72e3.pdf
5 Harvard Business Manger (2016). Wer mit der Digitalen Transformation Schritt halten will, muss umdenken! URL: www.harvardbusinessmanager.de/blogs/wer-mit-der-digitalen-transformation-schritt-halten-will-muss-umdenken-a-1102091-2.html
6 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015). Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2015. URL: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/monitoring-report-wirtschaft-digital-2015.pdf
7 Schallmo, D. R. A. (2016) Jetzt digital transformieren – So gelingt die erfolgreiche digitale Transformation Ihres Geschäftsmodells. URL: books.google.de/books
8 Gruenderszene Lexikon (2018). Internet of Things. URL: www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/internet-of-things
9 JAAI (2017). Starke KI, schwache KI – Was kann künstliche Intelligenz? URL: jaai.de/starke-ki-schwache-ki-was-kann-kuenstliche-intelligenz-261/
10 Dengler, K., Matthes, B., (2015). Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt: Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland, IAB-Forschungsbericht, No. 11/2015, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). URL: www.econstor.eu/bitstream/10419/146097/1/843867167.pdf
11 Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013). The future of employment – how susceptible are jobs to computerisation? Oxford, Oxford Martin School, Univ. of Oxford. URL: www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/future-of-employment.pdf
12 Bonin, H., Gregory, T., Zierahn, U. (2015). Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland. Kurzexpertise Nr. 57. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH. URL: ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/Kurzexpertise_BMAS_ZEW2015.pdf
13 Schaible, S., Fischer, C., Seufert, J., Fuest, K. (2017). 12 Thesen zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Roland Berger Studie. URL: www.rolandberger.com/publications/…/roland_berger_zukunft_der_arbeit.pdf
14 Rump, J., Walter, N. (Hrsg.) (2013). Arbeitswelt 2030. Trends, Prognosen, Gestaltungsmöglichkeiten. URL: www.bosch-stif-tung.de/sites/default/files/publications/pdf_import/Studie_Zukunft_der_Arbeitswelt_Einzelseiten.pdf